BigUp! Was ist eigentlich an dem Gerücht dran, dass Ihr wegen der Partys an den Poller Wiesen Ärger mit der GEMA bekommen habt?
Ingo: Eher von der Polizei! Mit denen haben wir uns damals gerne angelegt. Wir wollten ja alles so richtig jamaikanisch, und auf Jamaika hört man nachts halt bis zu 10 km weit den Bass der Soundsystems... Dementsprechend wurden unsere Boxentürme immer größer und fetter... Meist stand die Polizei gegen Mitternacht da und forderte uns auf, die Lautstärke runterzudrehen. Das haben wir dann gemacht, die Polizei ist wieder weg, wir wieder lauter gemacht, Polizei kam wieder an... Einmal war es besonders krass, da war die Polizei richtig aggressiv, weil sie wahrscheinlich wegen der Lighter dachten, wir hätten Flammenwerfer und deswegen geradezu militant aufgetreten sind und auch unseren Stromgenerator konfisziert haben. Wir haben uns da eine Menge Anzeigen eingehandelt und auch richtig Kohle gelöhnt. Trotz des Gedankens, das Ganze nicht sterben zu lassen, kamen wir irgendwann an den Punkt, an dem es dadurch einfach nicht mehr ging. Das war 1995 und hat sich zeitlich überschnitten mit der ersten Anfrage vom Prince...
BigUp! Wie kam der Kontakt zum Petit Prince denn genau zustande?
Ingo: Im Prince gab es damals wie gesagt auch schon Partys mit afrikanischer Musik und Salsa. Freitags waren da auch fast nur Afrikaner. Nachdem der damalige DJ der Freitags-Party an Krebs gestorben war, suchte der Chef vom Prince einen Ersatz und ist so auf uns gestoßen. Wir waren uns anfänglich nicht sicher, da wir ja unsere Unabhängigkeit und Freiheit bewahren wollten - außerdem wollten wir auf gar keinen Fall auf deren Hausanlage spielen, was dazu geführt hat, dass wir während der ersten zwei Jahre jeden Freitag unsere kompletten Boxensysteme in den Club geschleppt und unseren eigenen Sound gefahren haben. Wir wollten halt auch kein DJ sein, sondern ein echtes Soundsystem, das war uns sehr wichtig. Mittlerweile verrottet das ganze Soundsystem im Keller... Damals waren wir meines Wissens nach das einzige Soundsystem, dass diesen Schritt gemacht hat und sich von einem Club fest buchen ließ, um da regelmäßig zu spielen.
Devon: Ich bin wie viele, die auf Reggae abgegangen sind, vorher auch schon ins Prince gegangen. Da waren die Parties aber noch richtig Disco- Style. Als die Jungs von PowPow mit ihrem Soundsystem kamen und die ganzen Leute, die die Tunes schon von den illegalen Partys kannten, im Club die Tunes mitgesungen haben, gab mir das das Gefühl, da angekommen zu sein, wo die Leute die Musik meiner Heimat verstanden haben. Das war für mich natürlich auch ein Anreiz, bei Pow Pow mitzuwirken.
BigUp! Ihr hattet erwähnt, dass Gentleman und Chicken George in Jamaika aufgetreten sind. Woher hatten die ihr Patois- Wissen? Hat Devon ihnen das beigebracht?
Ingo: Nee, das haben wir uns alle selber beigebracht. Tilmann, der ja von Anfang an Artist werden wollte, hatte derart Feuer gefangen, dass er kurz nach unserem ersten Trip nach Jamaika mit 17 oder 18 Jahren alleine, nur mit einer Adresse in der Tasche und ohne Englisch-Kenntnisse für 2-3 Monate wieder nach Jamaika. Da hat er dann durch das tägliche Leben sozusagen notgedrungen Patois gelernt. Der kann bis heute nur Patois statt Englisch. Wir haben auch, so albern das jetzt klingt, untereinander Patois gesprochen, einfach weil wir es lernen wollten. Und wenn wir doch mal was nicht wussten, konnten wir ja immer noch Devon fragen. /.../
BigUp! Carl, haben Devon und Backra auf deinen MC- Style Einfluss genommen?
Carl: Klar, Devon ist ja so was wie mein Sparringspartner. Und Backra war für mich im Alter von 16, 17 so was wie mein Idol - so wie für andere Michael Jackson (alle lachen)! Als ich bei Pow Pow angefangen habe, war das für mich anfangs auch schwierig, mit dem ein normales Wort zu reden, weil es ja mein persönlicher Superstar war. Die beiden haben mich also schon ziemlich beeinflusst.
BigUp! hr habt ja eine relativ steile Karriere hinter euch. Woran lag es? An eurem besonderen bzw. einzigartigen Style? Wie habt Ihr es bis zum Worldclash geschafft?
Ingo: Steil würde ich nicht unbedingt sagen. Man muss auch mal sehen, wie lange wir schon am Start sind; wir haben es ja auch nicht immer leicht gehabt! Ich sehe das als Ergebnis von jahrelanger (guter) Arbeit verknüpft mit der Tatsache, dass wir alle mit vollem Herzen dabei sind und Reggae leben und lieben. Wir haben Reggae ja auch schon vor dem großen Boom in Köln promotet und davon dann natürlich auch profitiert. Der Worldclash ist deswegen auch in meinen Augen eher eine logische Konsequenz. Ähnlich wie Mighty Crown oder One Love, die einen ganz ähnlichen Weg gegangen sind wie wir, haben wir auch von Anfang an uns nur an jamaikanischem Reggae, an jamaikanischen Sounds und Artists orientiert, nie auf deutsch getoastet etc. Über die Jahre konnten wir damit dann halt auch auf Jamaika Aufmerksamkeit erregen. /.../
Fragen zum World Clash - soon online
BigUp! Wie kamst du zum produzieren, und wie kamen die Kontakte zu den grossen Artist zustande?
Ingo: Die Idee ein eigenes Label zu gründen war schon lange da. Da wir über die Jahre hinweg viele PowPow Dubplates machten, auch oft auf Jamaika waren, hatten wir sehr viele Kontakte zu Artists. Diese fragten uns immer öfter, ob wir nicht mal eine richtige 45 machen wollten anstatt Dubplates. Die Idee war aber auch schon zuvor vorhanden. Beim Auflegen dachte ich öfter: Der Artist und dieser Beat/Riddim wär perfekt, sprich da hatte ich schon Ideen was eigenes zu machen, nur an Labelgründung dachte ich noch nicht. Der ersten Riddim den wir umsetzten und raus brachten, „Celebrate“, war auch gleich ein großer Erfolg. Der Flow, der Vibe und der Zeitpunkt stimmten und so kam der Riddim einfach super bei den Leuten an. Vor allem die darauf gevoicten Songs des damals in Deutschland relativ unbekannten Turbulence „Celebrate“ und Gentlemans „Runaway“ wurden Mega Hits.
International, durch Gentlemans Single-Veröffentlichung + Video wurde unser Release überall auf Dances, Radio und TV-Stationen gespielt, was uns natürlich sehr hilfreich war und bekannt machte. Nach diesem ersten Erfolg war die eigene Meßlatte sehr hoch gesteckt und wir wollten beim nächsten nichts unterbieten. Doch mit „Shanty Town“, einem alten Skariddim, besetzt mit aktuellen Künstlern landeten wir den nächsten Clou. Die Idee hierfür kam durch unser Luciano „Love and Devotion“ Dubplate, einem alten Wailers Song. Meiner Meinung nach musste dies der Öffentlichkeit zugängig gemacht werden und so produzierte ich nachdem ich erst versuchte Lizenzen für das Original zu bekommen den „Shanty Town-Riddim“, der seit dem Erscheinen 2002 noch bis heute nachgepresst wird. Wahnsinn!