BigUp! Kann man ja schon neidisch werden..
Nattyflo: Ja ;-) Das gibt es leider so nicht mehr. Man kann heutzutage als deutscher Schüler nicht mehr nach Jamaika gehen. Soweit ich weiß gibt es keine Organisation, die das noch anbietet. Damals waren es auch nur vier deutsche die nach Jamaika gekommen sind.
Eben eine kleine Nische und ich hatte Glück.
BigUp! Engagierst du dich eigentlich sozial ?
Nattyflo: Ich mach bei dem "Baobab" Projekt mit , welches sich für Waisenkinder in Kenia einsetzt. Aktuell wird die zweite CD im Dezember rauskommen , mit bekannten deutschen Reggaekünstlern, Rootdown Camp, Gentleman, Culcha Candela , Jahcoustix usw. . Die Künstler spenden sozusagen die Songs.
Mit den Erlösen kaufen wir Produkte aus afrikanischen Ländern, u.a. aus Kenia. Die Gründung eines gemeinnützigen Unternehmens- Baobab Social Business ist aus unserer Sicht der nächste Schritt. Der Verein Baobab spendet Gelder für Waisenkinder und von Aids betroffenen Familien. Die gemeinnützige GmbH, aber kauft denen Produkte ab, die sie selber herstellen. Das Konzept ist eben Hilfe zur Selbsthilfe.
Es ist nicht viel, aber viele kleine Schritte sind auch wichtig finde ich.
BigUp! Auf dieser Baobab CD ist ja auch das Rootdown Camp vertreten. Sind das eigentlich alles nur rein geschäftliche Beziehungen?
Nattyflo: Ne das sind alles private Kontakte, die über die Zeit entstanden sind.
Ich war ja früher mit den Jungs in einer Schülerband. Teka, der Produzent , war Gitarrist , Schlagzeuger war Patrick, der heutige Labelchef. Nikitaman hab ich in Hamburg auf einem Dance kennen gelernt, Maxim kam über den Nosliw. Also alles private Kontakte die man irgendwie kennen lernt. Jaquee, der Neuzuwachs bei Rootdown, ist auch über Umwege zum Thilo rangekommen. Ich würde z. B. auch Phenomden zu Rootdown dazu zählen, da seine Promotion über Rootdown läuft. Er ist sozusagen erweitertes Rootdown Camp.
Insofern ist Rootdown schon eine Plattform für Künstler, um Platten raus zubringen, aber auch für Promotion und Booking zuständig.
BigUp! Gibt es booking mäßig ein Winterloch bei dir ?
Nattyflo: Da ich ja mit Band und Soundsystem auftrete, hab ich da keine Probleme .Und mache das so wie das für mich am besten passt .Ich bin ja nicht hauptberuflich Musiker, sondern arbeite in einer Pr-Agentur . Ich hab halt einen ganz normale Beruf und mach das aus Spaß an der Freud.
Wobei, mein ganzes Studium hab ich finanziert mit Auftritten. Es war zwar schön die Möglichkeit gehabt zu haben, aber am Ende doch zu Saison abhängig. Ich bin dann zu viel Unterwegs und ich will mein Geld nicht außerhalb meiner Stadt und meinem sozialen Umfeld verdienen.
Als Musiker verdient man eben sein Hauptgeld dadurch , dass man unterwegs ist. Das bedeutet, dass du mindestens zwei Mal im Jahr eine Tour machen musst, mit 40-50 Konzerten, um überhaupt einen guten Lebensstandard zu erreichen. Und das war mir einfach zu viel. Also eine ziemlich pragmatische Entscheidung, ich weiß auch nicht, ob ich noch mit 45 auf der Bühne stehen will.
Hinzu kommt, dass man es als nicht internationaler Künstler, so hab ich mich jedenfalls immer gesehen, mit deutschsprachiger Musik es schwieriger hat . Ich habe mich dann auch relativ früh entschieden, dass ich Musik nicht professionell betreiben möchte.
Ich könnte ja auch weiterhin für die Riddim arbeiten. Ich habe es jedoch aufgehört, weil auch das mir zu viel wurde. Zudem war die Überschneidung von Künstler und Journalist nicht gut.
BigUp! Beides geht nicht?
Nattyflo: Nein, das geht nicht. Wenn du als Musiker in deinem eigenen Magazin erscheinen willst, ist das sehr fragwürdig. Und andere über sich schreiben lassen, wobei man dann als Chefredakteur letztendlich selber entscheiden kann, wie viel Platz man bekommt. Das funktioniert nicht. Insgesamt aber trotzdem eine große Ehre, dass ich so etwas mit gründen und mitmachen durfte.
BigUp! Kommt denn der Journalist in dir raus auf großen Festivals? Bei denen du ja die Möglichkeit hast die jamaikanischen Starspersönlich zu treffen, welche für dich ja auch groß sind.
Nattyflo: Das hab ich ja jahrelang gemacht, parallel. Nach meinen Auftritten hab ich eben die Interviews geführt. Wie mein erstes Interview mit Buju Banton oder Yellowman. Jetzt stell ich mich aber nur noch hin, mit meiner Familie und mach ein Foto mit Anthony B.. Wie auf dem diesjährigen Summerjam , klar bin ich dann auch Fan.
BigUp! Wie kommt es, dass du so ein großer Anthony B. Fan bist?
Nattyflo: Der ist halt cool. Der ist sehr straight was seine inhaltlichen Aussagen angeht. Ist nicht so widersprüchlich wie andere und auch nicht so abwertend gegenüber Minderheiten und Frauen. Bei ihm kommen der Vibe und der Inhalt stärker zusammen. Ich bin jetzt selber kein Rasta, verfolge auch nicht die ganze Rastaphilosophie oder glaube daran. Aber, dass muss man auch nicht um Fan zu sein. Man muss nicht 1 zu 1 die gleichen Ansichten haben wie sein Artist, um ihn gut zu finden.
BigUp! Traumkombination du und Anthony B.?
Nattyflo: Aufjedenfall.
BigUp! Zwischen Deinem ersten Album "Immer Vorwärts" und Deinem aktuellen Album "Soulgefühl" sind von 2005 bis 2009 vier Jahre vergangen. Dachtest du nach einiger Zeit :" Ich hab hab jetzt noch so nen paar alte Lieder im Keller, da könnt ich doch nen Album draus machen "?
Nattyflo: Einen Song hatte ich tatsächlich schon für "Immer Vorwärts" geschrieben, nämlich "Weissagung der Cree".
Ansonsten sind alle Songs in den 4 Jahren entstanden, vor allem im letzten Jahr. Ich hatte mir gedacht, jetzt muss ich noch Mal intensiver an dem Album arbeiten. Es gab auch Songs, wo es Teilelemente gab, die ich nur noch fertig schreiben musste. "Soulgefühl" kam relativ zum Schluss und eigentlich sollte das Album auch "Kein Stress " heißen. Da "Kein Stress" die Fortführung von "Strandleben" ist, den für mich persönlich stärksten Song von "Immer Vorwärts".
"Kein Stress" ist ein super Song, aber den kann man a) nicht so gut live performen, weil er relativ slow ist und b) ist es auch erst Mal eine negativ Aussage, Kein Stress. Soulgefühl ist eben eine positive Aussage und drückt tatsächlich viel mehr meine grundlegende Haltung aus. Nämlich zu sagen ich gucke auf das halbvolle Glas, als auf das halbleere.
BigUp! Wie ist dein Verhältnis zur Polizei?
Nattyflo: So lang sie mich in ruhe lassen, lass ich sie auch in ruhe ;)
Nur in Bayern gefallen sie mir halt nicht so, da kontrollieren sie einen immer zu oft. Da sollte man ein braver Bürger sein.
BigUp! Du hast ja im Moment keine Dreads und auch nicht die Musik typische Kleidung. Denkst du das macht was aus?
Nattyflo: Ich denke schon, dass die Polizei auf so etwas achtet.
Mittlerweile hab ich auch nicht mehr die Musik typischen Klamotten an. Und auch mein Tuch trag ich nicht im Alltag, wenn ich aber zum Beispiel mit Nosliw oder meinen Dreadlock-Bandkollegen unterwegs bin, werden wir auch schon mal angehalten.
BigUp! Wie persönlich sind deine Texte?
Nattyflo: Ich mach viel persönliche Statements .Ich erzähl keine Geschichten über andere, sondern eher über mich .Alle meine Texte haben einen autobiographischen Bezug , also mache ich storytelling über mich selbst und mein soziales Umfeld.
Interview mit Nattyflo
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