Nattyflo starte seine Karriere Ende der 90’er. Seitdem hat er die Reggaelandschaft entscheidend beeinflusst , sei es mit der Mitbegründung des International bekannten "Riddim" Magazins oder der des Labels "Rootdown Records". Das Big Up traf ihn in der Nähe von Bonn. Nattyflo.de |
BigUp! Du bist hier auf dem Seminar über Bildungspolitik in Entwicklungsländern als Referent eingeladen, da du ja früher als Austauschschüler nach Jamaika gekommen bist. Wie war das damals für dich ?
Nattyflo: Ich bin 1993/1994 nach der 11. Klasse nach Jamaika gekommen und hab dann das "lower A level" gemacht, was ungefähr der 12. Klasse entsprach. Das hat mich natürlich stark geprägt. Es ist immer witzig auf solchen Seminaren zu sein und sich auszutauschen. Alle die hier sind haben einen persönlichen Bezug zu Jamaika , viele ehemalige Entwicklungshelfer , aber auch Studenten.
BigUp! War der Musikunterricht in der Schule besser als hier in Deutschland ?
Nattyflo: Erstmal hab ich gar keinen Musikunterricht gehabt, kann ich so deshalb nicht bestätigen. Aber es wird viel gesungen, gemeinsam geklatscht und in den wöchentlichen Schulversammlungen wird die Nationalhymne gesungen . Also spielt Musik schon eine wichtige Rolle, aber die können z.B. alle nicht gut Noten lesen.
Deshalb würde ich sogar sagen, dass das Deutsche System besser und anspruchsvoller ist, dem Schüler viel mehr Instrumente näher bringt. Was aber natürlich eine Frage des Wohlstands ist. Ich hatte mir die "Jamaican School of Music" angeguckt, ob ich eventuell dahin gehen möchte/kann. Hab es dann aber auch abgelehnt, weil das einen nicht ganz so strukturierten Alltag hatte.
BigUp! Die "Jamaican School of Music" kann man beschreiben als ….?
Nattyflo: Die "JSM" ist eine Art Musikuniversität, wobei aber jüngere Schüler auch einen ganz normalen Schulabschluss machen können mit einem Musikschwerpunkt. Da gehen die Leute hin , die wissen, dass sie Musiker werden wollen.
So ein guter Musiker war ich dann doch nicht, dass ich mir das zugetraut hätte. Ich konnte nicht gut Klavier spielen, nur Gitarre. Aber Klavier ist eben das Basisinstrument und da ich es in dem Jahr auch nicht gelernt hätte, ließ ich es erstmal sein. Deswegen war ich auf dem "St. George’s Collage", einer katholischen Jungenschule.
BigUp! Wie hat dich die Kultur getroffen? Warst du schon etwas vorbereitet?
Nattyflo: Das war schon ein Sprung ins kalte Wasser, 1400 Schüler und nur 3 Weiße . Die 3 weißen Schüler waren Austauschschüler. Das war schon eine ganze neue Erfahrung selber in der Minderheit zu sein, hautfarben mäßig. Ich war eher der Exot und konnte mich durch Fußball gut integrieren.
BigUp! Gab es denn teilweise Ausgrenzungen oder ähnliches?
Nattyflo: In bestimmten Situationen, wenn sie nicht wollen das du sie verstehst, reden sie so schnell auf Patois, dass du sie nicht verstehst. Das mit der Sprache, ging mir aber auch noch am Schluss des Jahres noch so. Den Kontext konnte ich verstehen, aber nicht jedes einzelne Wort. Patois ist eben eine eigenständige Sprache.
BigUp! Was wird denn im Unterricht gesprochen, auch Patois?
Nattyflo: Die Schüler untereinander reden Patois, aber im Unterricht ist dann British English angesagt. Es ist ja auch ein englisches Schulsystem, mit Schuluniformen etc. Patois ist eben die alltägliche Umgangssprache.
BigUp! Wie sah es in Sachen Nachtleben für dich aus?
Nattyflo: Ich hatte Glück, ich konnte da viel Party machen. Mein 19 jähriger Gastbruder lebte zu Hause und hatte sein Studium gerade erst begonnen . Durch ihn hatte ich einen guten Zugang zur Soundsystemkultur und bin auch gleich darin eingetaucht. Stone Love, African Star waren so die großen Soundsystems damals. Unter anderem hab ich mir aber auch das Sting Festival in Kingston angesehen, wo ich Ninjaman und andere Leute gesehen hab.
BigUp! Wie sah es aus mit dem anderen Geschlecht?
Nattyflo: Ja klar, gerade auch während des Straßenkarnevals. Von der Schule aus, gab es auch immer ein Treffen mit einer Mädchenschule um eine "fashion show" zu organisieren, denn nur mit Jungs wäre das ein wenig langweilig. Natürlich sehr beliebt und ein guter Vorwand sich zu treffen und Kontakte zu knüpfen.