nosliw Der in Bonn geborene Eric Alain Wilson, vielen als Nosliw bekannt, begann 1991 mit englischsprachigem Hip-Hop, widmete sich aber 1995 mit seiner damaligen Band D.U.G. (Die Unendlichen Gedichte) dem deutschsprachigen Hip Hop. Ende der 90er Jahre wendet er sich, inspiriert durch seinen Freund Nattyflo, mehr und mehr der Musik seiner Kindheit, dem Reggae und Dancehall zu. www.nosliw.com/

 

Durch Beiträge auf Compilation-Platten mit verschiedenen Künstlern, ersten eigenen Longplayer und gemeinsamen Touren mit anderen deutschen Reggae-Größen wie Seeed oder Gentleman, wurde er immer bekannter.
Nun, knapp 3 Jahre nach seinem Debüt „Mittendrin“ erschien Nosliws neues Album „Mehr Davon“, ein Werk mit positiver Grundstimmung ohne dümmliche Kiffertexte. Nach dem Weggang von Warner stand die Veröffentlichung zunächst unter keinem guten Stern, aber der smarte Wahlberliner schaffte mit Unterstützung des Rootdown camps modernsten Rootsreggae, den es so in Deutschland noch nicht gegeben hat. Sprich Album Nummer zwei, zu releasen. Grund genug also, um dem Ausnahmeartist der in den letzten 7 Jahren mit einigen Big Tunes seinen Beitrag in der deutschen Reggae und Soundsystem Kultur geleistet hat, einmal ein paar Fragen zu stellen.

Big Up! Dein neues Album ist sehr rootslastig? Willst du bewusst vom Dancehall und Hip Hop wegkommen?
Nosliw: Nein, dass nicht, aber ich wollte ein konsequentes Album machen, dass einen roten Faden verfolgt. In der Endphase des Albums waren einfach die stärksten Songs Rootsreggaesongs und daran haben wir uns orientiert.  Ich hab natürlich auch noch ganz andere Sachen produziert. Dancehall, Soulgeschichten, auch was ganz Experimentelles, aber die Erfahrung im Musikbusiness zeigt, dass die langlebigsten Alben die sind, die wirklich nachvollziehbar sind. Die einen Anfang und ein Ende haben und bei denen die Songs zueinander einen Bezug haben.

 

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Big Up! Wo bekommt man die experimentellen Werke zuhören? Live? Auf der nächsten CD?
Nosliw: Es gibt einen Song „Hei Jau“ den ich schon live probiere um zu sehen, wie die Leute darauf abgehen. Viele Songs sind aber auch nicht für die Öffentlichkeit zu gebrauchen, aber es gibt auch ca. 10 Songs, die wirklich gut sind, die aber nicht in das Konzept gepasst haben. Diese werden definitiv noch veröffentlicht, entweder auf dem nächsten Album, dass ich dann drum herum bauen werde oder als Bonusmaterial für Single-Veröffentlichungen oder als Exklusivmaterial für Sampler-Beiträge.

Big Up! Beim Song „immer wieder hören“ geht es um die Soundsystemkultur. Ein kluger Schachzug um in Dances gespielt zu werden, oder was verbindet dich mit den Soundsystems?
Nosliw: Die Soundsystems sind meine Supporter. Ich bin mit den Soundsystems groß geworden. Es gibt mittlerweile eine neue Generation von Soundsystems, die mich all die Jahre unterstützt haben. Mit denen bin ich auch gewachsen. Das ist ein Dankeschön an all die Jungs und Mädels, die meine Sachen spielen, ohne deren Support wäre ich nicht da, wo ich jetzt bin. Das ist halt das Wunderbare daran als Reggaekünstler auf Reggaepartys aufzutreten. Wenn der Veranstalter nicht das Budget hat, eine ganze Band zu finanzieren, komm ich und das Soundsystem legt meine Riddims auf. Das ist ne super Sache!  Es war schon Absicht, das so zu machen, weil ich wieder nach Außen zeigen wollte, woher ich komme: Aus der Dancehall-Kultur- und für wen ich das eigentlich mache. Es ist ein Statement nach Außen, um Otto Normal und Lieschen Müller zu zeigen, was abgeht, was ich für ein Künstler bin und wo das alles herkommt. In dem Video sieht man dann auch ganz viele Soundsystems, bei denen ich mich sozusagen direkt bedanke.

Big Up! Hast du überhaupt noch Zeit privat das Geschehen in der „Szene“ zu verfolgen?
Nosliw: Privat geh ich nicht mehr auf Dances. Ich bin froh, wenn ich zu Hause bin. Ich bin nicht mehr so der Partygänger, weil es ja sozusagen mein Beruf ist, auf Partys zu gehen. Somit bekomme ich nur noch die Sounds mit, von denen ich gebucht werde. Daher bin ich etwas außen vor, was die Soundsystemkultur und den Nachwuchs angeht. Ich krieg schon hin und wieder Sachen mit, aber eigentlich beschränkt sich das auf die Sounds, mit denen ich groß geworden bin. Das sind nicht nur die ganz großen Sounds, wie die, die du eben genannt hast, (PowPow, Sentinel, Kingstone, Soundquake, Supersonic...). Dann gibt’s auch noch unbekanntere z.B. Hurricane Sound und noch viele mehr, die nicht unbedingt international, aber in Deutschland ihre Massive haben. Die krieg ich schon mit.
Es ist schade, dass ich den Künstlernachwuchs nicht so mitbekomme, zum Beispiel auf Festivals, wo diese Künstler auftreten, komm ich erst 2 Stunden vor meinem Auftritt an und dann muss ich mich mit meiner Band vorbereiten… Das ist wirklich schade, aber ich weiß, dass es brodelt! Auf jeden Fall!



Big Up! Wieso erschien dein neues Album nicht mehr auf einem Major Label?
Nosliw: Der Grund dafür ist, dass wir uns von Warner Music getrennt haben, weil es inhaltliche Differenzen gab. Ich war jetzt fünf Jahre bei einem Major und hab das Album raus gebracht, aber für Major-Maßstäbe hat es sich nicht gut genug verkauft. Dadurch wurde Stück für Stück unsere Freiheit eingegrenzt.  So dass sie irgendwann feuchte Hände bekommen haben in Bezug auf das nächste Album und es ging am Ende nur noch um die Single. Wir haben ein Jahr damit vergeudet, eine Single zu produzieren, worüber wir den Focus auf das Album verloren haben. Das war ein großes Problem, welches uns stark gebremst hat. Es ging nicht mehr um das Albumkonzept sondern darum, wie kriegen wir die Single, die alle sofort wegbläst, die sofort ohrwurmtechnisch jeden anspricht. Junge Mädchen, alte Männer, Hausfrauen, Gefängnisinsassen und Schüler…alles querbeet

 

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Big Up! Im Zugzwang einen Hit zu produzieren?
Nosliw: Ja, nach dem Baukastenprinzip. Es ging nicht mehr um die Soulmusik. Irgendwann waren wir an dem Punkt, wo wir gesagt haben, das hier ist unser Material. Nehmt es oder nicht. Und sie haben gesagt ... oh,… ne… das war natürlich erstmal ein bisschen doof. Aber im zweiten Atemzug war es eine Befreiung. Es ist das Beste, was uns hat passieren können.
Das klingt aufgesetzt; aber es ist nun mal so, dass das Album ohne diesen klaren Schnitt nicht so geworden wäre, wie es ist.
Wir haben, nachdem diese Entscheidung gefallen war, innerhalb von sechs Tagen sechs Songs gemacht. Die kamen alle aufs Album und haben eine ganz klare Aussage. Wir wussten auf einmal genau, wo wir hinwollen, was wir sind und für wen wir das machen. Die ganze Entwicklung war hilfreich, auch wenn es ein Riesenstress war und uns viel Tränen und Schweiß gekostet hat.

Big Up! Hat dich das darin bestärkt, vermehrt deine eigenen Interessen zu verfolgen?
Nosliw: Ja, ich war frei. Rootdown war als mein Label  immer dabei, ich war nur gesignt bei einem Major. Von daher hab ich mit Rootdown auch „Mittendrin“ komplett gemacht. Der ganze kreative Output ging über Rootdown. Im Endeffekt ging es weiter wie bisher, nur dass wir eine Null weniger fürs Promotion- Budget hatten. Aber sonst ist Rootdown komplett aufgestellt auf allen Ebenen was Promotion, Booking, Label, Vertrieb usw. angeht. Das Gute war, dass Warner Musik uns den Produktionsvorschuss überlassen hat. So konnten wir weitermachen wie bisher. Wir konnten beim selben Mischer bleiben, dieselben Musiker verpflichten. Daher ist das Album auf einem Topstandard was Sound und Produktion betrifft.

Big Up! Dein neues Album hat fast 3 Jahre auf sich warten lassen - was hat sich für dich in der Zeit von „Mittendrin“ bis „Mehr Davon“ getan?
Nosliw: Ahhh…persönlich bin ich gereift, das liegt daran, dass ich älter geworden bin und in gewisser Hinsicht vielleicht gelassener.
Ich bin mittlerweile nach Berlin gezogen. Gesanglich habe ich mich verändert, weil ich unentwegt auf Tour war, was die Stimme natürlich geschult hat, so halte ich jetzt auch viel länger durch. Ich bin auch musikalisch gereift. Das jetzige Album geht mehr in Richtung Songwriteralbum. Das liegt daran, dass ich an der Produktion von Anfang bis Ende beteiligt war. Ich hab mit Teka zusammen die Songs erarbeitet. Während er produziert hat, hab ich geschrieben, wir haben uns gegenseitig die Bälle zugeworfen. So wurde das Album auch persönlicher. Was ist noch passiert? Ich war viel unterwegs!
Ich glaub, ich hab auch meine Position in der deutschen Musik Szene verfestigt, also ich fühl mich als noch ernsthafterer Artist.

Big Up! Wieso gibt es eigentlich nur einen Feature Track mit Gentleman auf dem Album?
Nosliw: Maxim ist auch auf dem Album. Wenn man sich es genau anhört, wird man es finden … Aber offensichtlich ist nur ein Feature auf dem Album, weil ich ein Nosliw-Album machen wollte. Gerade live ist es problematisch, wenn ich dann sagen muss: Jaa, das ist ein Feature mit so und so, leider kann er heute nicht hier sein. Ich sing seine Strophe. Das geht  für zwei Lieder, aber irgendwann ist es auch gut. Und außerdem fühle ich mich als Künstler - na wie soll ich sagen - fähig, ein ganzes Album zu füllen. Das mit Gentleman war ein Vibes-Ding. Der hat Bock drauf gehabt und dann haben wir es gemacht und es war richtig.
Ich hab natürlich auch noch ein Feature mit Promo für das Album gemacht. Das hat aber leider am Ende nicht mehr ins Konzept gepasst. Aber das wird auf alle Fälle noch veröffentlicht. Aber ich finde es cool so wie es ist, der Focus liegt halt auf mir und als Bonbon gibt’s Gentleman und das ist für mich eine super große Ehre.



Big Up! Du bist umgezogen von Bonn nach Berlin. Viele ziehen nach Berlin wegen dem Hype usw. spielte das bei dir auch eine Rolle?
Nosliw: Es gibt nur einen einzigen Grund und der heißt Rebecca! Es ist für mich natürlich auch wegen der Reggaeszene gut in Berlin zu leben, aber Köln hat auch ne super Szene. Ich sags mal so: Ich hab zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Aber wenn ich sie nicht kennen gelernt hätte, wäre ich weiterhin in Köln geblieben. Es kam auch zum richtigen Zeitpunkt. Denn mittlerweile kenn ich in Deutschland meine Pappenheimer und war daher nicht verlassen in der großen Stadt. Ich kenn die Reggaekünstler und es ist ziemlich geil auch dort integriert zu sein und ich wurde sehr warmherzig aufgenommen. Auch für Rootdown ist das genial einen Stützpunkt in Berlin zu haben. Die anderen können so auch mal bei mir pennen….

Big Up! Generell hast du ja viele Liebeslieder geschrieben - stört es dich nicht da in eine gewisse Ecke gedrängt zu werden? Der Lovers Artist und Frauenschwarm? Denn deine Wurzeln waren ja im Hip Hop mit „D.U.G.“
Nosliw: Nein, das stört mich gar nicht. Die erste Reaktion von vielen war schon:“ Öhh, sind ja viele Liebeslieder.“ Aber wenn man das wirklich analysiert, ist es ein einziger Song, den ich für meine Freundin geschrieben habe. Die anderen sind einfach Geschichten übers Leben.  In dem Fall Beziehungsgeschichten. Das hätten auch Beziehungen zwischen Nachbarn sein können. Aber ich hatte in dem Moment Bock, über eine gescheiterte Beziehung zu schreiben. Über einen Typen, der ein Arschloch ist und nicht verdient hat, die Frau zurück zu bekommen; aber diese typischen Sprüche von sich lässt, über die eigentlich jeder schmunzeln sollte.

Big Up! Spielst du auf „Allerletzte Chance“ an?
Nosliw: Ja oder „Bitte schick mir Hilfe“, das geht um den verzweifelten Hilferuf eines „Besten Freundes“, der keinen Focus auf sich lenken kann. Während sie sich immer die falschen Typen schnappt, sitzt er daneben und muss ihr die Tränen wegwischen. Derweil wäre er der Richtige. Auch nur eine Geschichte übers Leben. In „Kurz allein sein“ geht’s eigentlich nur darum zu poppen - galant umschrieben… der Song sollte einfach nur entertainen. Es gibt viele Artists die schreiben, komm lass mal ficken gehen. Ich hab versucht das in den deutschen Kontext zu bringen. Mit dieser höflichen distanzierten Art. Der Song „Liebe“ handelt von der generellen Liebe, die die Leute einfach mal wieder zulassen sollten. Was für mich die Lösung für ein Grundproblem in unserer Gesellschaft ist, da die Leute nicht mehr offenherzig sind. Damit haben wir ja schon viele Songs ausgegrenzt und es bleibt nur ein wirkliches Liebeslied über.

Big Up! Ist es denn nicht seltsam auf großen Festivals, oder Tourneen immer als der deutschsprachige Gentleman oder als deutsche Nr. 2 angepriesen zu werden?
Nosliw: Solange ich Gentleman vor mir habe, ist mir das sehr recht. Beim Vergleich mit anderen Künstlern gibt es schon den einen oder anderen bei dem ich Zähneknirschen bekomme. Ich frage mich, wie nehmen die Leute meine Musik wahr? Was ist für die Reggae? (CW/AR)

weitere Infos zu Nosliw:
www.nosliw.com/
www.myspace.com/nosliw
www.rootdown-records.com

Audio Interview bald im Big Up! Podcas

 

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