Das kleine Kleidungslabel mit Basis im Herzen Bayerns und Kopf in der Karibik. seen. dem nice things up. Zwei Typen um die zwanzig, die jedes Wochenende Bock auf Bashment haben – die Hälfte davon selbst Selekta – ein paar Stifte, eine Kamera, eine Nähmaschine, zwei Computer, kein Geld und viele Ideen. Das war das Grundkapital aus dem vor ungefähr zwei Jahren seen. entstand. www.seen-site.com |
Big Up! Was waren eure Beweggründe, selber Kleidung zu entwerfen bzw zu produzieren?
Seen: Wir haben Kleidung als Medium vor allem in Verbindung mit Musik schon immer geliebt. Als Designer, die sowohl privat als auch studientechnisch schon über Jahre mit Gestaltung in verschiedensten Varianten zu tun hatten, stellen Klamotten somit eine perfekte Plattform dar, auf der wir uns kreativ austoben und gleichzeitig viel Erfahrungen sammeln können.
Vor allem in den bereichen Organisation, Marketing etc. – sogar Nähen haben wir gelernt, weil wir die Etiketten alle selbst in die Shirts packen.
Hinzu ist gekommen, dass auf fast jedem Dance, auf dem wir in den letzten Jahren gefeiert haben, zu wenig Leute coole Sachen anhatten. Obwohl in Jamaika Fashion bzw. Style und Bashment zusammen gehören wie Fish und Festival, sieht man hier in Deutschland Selektas in Sandalen und Batikshirts an den Plattenspielern stehen..Das wollten wir ändern.
Angefangen haben wir dann mit Shirts für unsere Homies, die im Club nicht immer auf HipHop-Klamotten zurückgreifen wollten und inzwischen ist das Ding halt ein kleines bisschen größer geworden, wobei sich das alles immer noch in einem Rahmen bewegt, der sehr sehr überschaubar ist.
Big Up! Was gefällt euch/ was gefällt euch nicht an der Mode der deutschen Reggaeszene?
Seen: Zuerst zu dem, was uns nicht gefällt: Generell sind uns die Leute zu "Hippie". Also: zuviel Batik, zuviel Cannabis-Blätter, zu viele Löwen an zu vielen Körpern.
Religiöse Symbole werden permanent vergewaltigt und ein Klischee nach dem anderen bedient. Und bei den Leuten, die dann vermeintlich stylishere Sachen tragen, sieht man in 90% der Fälle diese Drucke, denen geklautes Fotomaterial zu Grunde liegt, das durch einen billigen Photoshop-Filter gejagt wurde.
Auch schlimm: Puma. Egal ob Shirts, Taschen oder "Schuhe". Wir hassen diese Marke. Was uns gefällt: dass Leute wie Seeed Kleidung bei ihren öffentlichen Auftritten eine angemessene Bedeutung zukommen lassen, auch wenn wir deren Style nicht immer cool finden.
Ansonsten muss man Irie Daily Props geben, die schon lange im Geschäft sind und für die Reggae neben Punk und Ska schon immer eine wichtige Einflussgröße war.
Vor einigen Jahren fanden wir auch die Ecko Unlimited-Sachen cool, die Gentleman zum Beispiel in dem "Tabula Rasa" mit Freundeskreis getragen hat. Wer sieht noch gut aus? Hm, Zoe hat nen nicen Style und Nosliw konnte man in Sachen Klamotten auch noch nie was vorwerfen. Das "Problem" sind generell auch eher nicht die deutschen Artists, sondern die Bestandteile der Massive, die einen z. B. auf Veranstaltungen wie dem "Chiemsee Reggae"-Festival dumm anmachen, weil man eine Camouflage-Jacke trägt und gleichzeitig in Kartoffelsäcken jamaikanischen Künstlern wie Capleton zujubeln.
Big Up! Woher nehmt ihre eure Ideen/Inspirationen/Anstöße?
Seen: Kurz gesagt: Jamaican Livity, Reggae- und Dancehall-Musik und die dazugehörigen Lyrics. Ansonsten: alles was wir im täglichen Leben – real und in den Medien – sehen, natürlich auch Design-Bücher und -Magazine.
Gabriel, der Grafiker, ist außerdem ein Comic- und Streetart-Junkie und wenn man den nach seinen Vorbildern frägt, kriegt man Namen wie David Mack, Thomas von Kumant oder Flying Fortress zu hören.
Big Up! Was wollt ihr mit der Kleidung ausdrücken? welches gefühl sollen eure Kunden spüren?
Seen: Zum ersten: unsere grenzenlose Liebe zu jamaikansicher Musik und der Art, auf sie zu feiern. Das mit dem Gefühl ist bisschen schwieriger zu beantworten...
Allgemein gesprochen, sollen sich unsere Kunden auf der Straße und im Club in seen. wohlfühlen. Weil die Sachen bequem sind und weil sie gut ausschauen. Wir wollen den Leuten schon das Gefühl geben, das beste Zeug auf dem Dance zu tragen. Zeug, das auch nicht jeder hat, weil´s stark limitiert ist. Und die Ladies sollen sich natürlich sexy fühlen.
Big Up! Wo und wie wird eure Kleidung hergestellt?
Seen: Ok, also das Design wird komplett in Bayern erledigt – immer in unseren Homebases in Altötting und Augsburg.
Der Druck erfolgt in Norddeutschland. Die Textilien werden derzeit leider noch eingekauft, weil die Stückzahlen zu gering sind, um selbst produzieren zu lassen. Wir kaufen in Amerika ein und zumindest bei den Sachen für die Mädls und Frauen können wir zu 100 Prozent garantieren, dass sie sweatshop-free, also ohne Kinderhände hergestellt werden.
Was gibt´s sonst noch? DIe Etiketten. Die kommen auch aus Deutschland und einnähen tun wir sie, wie oben bereits erwähnt, eigenhändig.
Big Up! Warum limitiert ihr die Stückzahl auf 45?
Seen: Generell limitieren wir die seen.-Sachen, weil sie dadurch noch besonderer, noch individueller werden. Es soll sein wie im Plattenladen: wer zuerst kommt, kriegt den guten Stuff. Wer zu spät kommt: Pech gehabt. Nachproduziert wird nicht.
Die Limitiertheit hat aber nicht nur für unsere Kunden, sondern auch für uns selbst Vorteile: der Output wird beschleunigt und wir bekommen so die Möglichkeit, mehr von den echt zahlreich vorhandenen Ideen rauszubringen. Das einzige Problem ist derzeit noch der mangelnde finanzielle Background...
Die Zahl 45 kommt einfach von Geschwindigkeit, auf der 7inches laufen. So kleine Dinge sollen die Verbindung zur Musik immer wieder betonen.
Big Up! Wie kommt es, dass Artists wie Nosliw Werbung für euch machen?
Seen: Wie eben gesagt, die Verbindung zur Musik ist essentiell wichtig. Und weil wir Schritt für Schritt unseren Weg gehen wollen, haben wir zuerst versucht, nationale Künstler zu finden, die zu seen. passen.
Auf der weiblichen Seite war das nicht allzu schwer, Zoe haben wir nämlich im Frühjar 2003 in Port Antonio in den GeeJam-Studios Jamaika getroffen als sie gerade ihr Album aufgenommen hat.
Nosliw haben wir genommen, weil wir einfach denken, dass er das meiste Potential hier in Deutschland hat. Er schreibt die besten deutschen Texte und ist auch live sehr fit. Persönlich verstehen wir uns auch gut und so war eine Kooperation nur eine logische Folge.
Big Up! Eure Shirts werden nicht nur von ein paar bayrischen Dancehallfans, sondern auch von einigen (inter)nationalen Musikern getragen. Macht euch das dann besonders stolz?
Seen: Ja. Weil wir UK-Mucke sehr mögen und vor allem weil in England die Ideen und der Style von "seen." viel schneller verstanden werden als hier in Deutschland. Als Lotek von Lotek HiFi zum Beispiel alleine den Namen der Marke gelesen hat, war er schon absolut begeistert. Bei Tippa Irie ist das ähnlich. Wir hoffen natürlich, unser Artist-Line-Up noch weiter – auch mit jamaikanischen Künstlern – verstärken zu können.
Diesbezüglich sind wir aber recht zuversichtlich, weil mit hoher Wahrscheinlichekit das seen.-Headquarter ab August vorübergehend nach Kingston verlegt wird.
Was uns aber immer wichtig bleiben wird, ist die Tatsache, dass wir uns mit den Künstlern, die seen. tragen, gut verstehen müssen, dass sie das schätzen, was wir tun und andersherum.
Big Up! wie ist eure beziehung zu den jungs vom ESS?
Seen: Sehr gut. Gabriel, unser Grafiker ist Selekta beim ESS. Wir alle sind seit Ewigkeiten beste Freunde und bei uns herrscht eine schon fast beängstigende Einigkeit über Stylevorstellungen.
Die Jungs liefern quasi den Soundtrack zu unserem kreativen Prozess. Außerdem haben wir ein gemeinsam: seen. und Everest, das sind zwei Teams, die sich – in zwei verschiedenen Bereichen – hohe Ziele gesetzt haben.
Big Up! gibt es noch irgendetwas anderes, dass ihr der welt mit auf den weg geben wollt?
Seen: Zuerst: An alle, die sich immer beschweren, dass 28 EUR für ein Shirt von uns zuviel wären: denkt dran, wir sind ein sehr kleines Label, das in sehr kleinen Stückzahlen produziert. Keiner von uns macht momentan auch nur annähernd Kohle mit der Sache.
Wir machen seen., weil wir das Gefühl haben, es machen zu müssen. Raucht einfach fünf Dübel im Monat weniger und legt Euch dafür, nice Klamotten zu.
Und nicht zuletzt: Respekt an die ganze deutsche Massive und alle Artists, die guten Sound machen und natürlich danke an alle, die seen. bisher supported haben. Big Up!