Antwort auf unseren offenem Brief an Volker Beck:
(V.Beck:)"Auch wenn ihre Fragen sehr polemisch formuliert sind, werde ich Ihnen gerne antworten. Ihre Fragen zur wirtschaftlichen Unterstützung Jamaikas müssen Sie aber der Bundesregierung stellen.
Es tut mir leid, wenn ich "Reggae-Liebhabern eine Lebensfreude nehme", wie Sie auf Ihrer Homepage schreiben. Ich bin mir sicher, dass die wenigsten Reggae- und Dancehall-Fans sich mit den homophoben Texten von Elephant Man und anderen Künstlern identifizieren können. Angesichts der hohen Gewalt- und Mordrate an Homosexuellen in Jamaika, ist der "Verzicht" auf solcherart Musik aber das mindeste an Solidarität mit dieser Minderheit in Jamaika.
In der Diskussion darüber werden wieder die üblichen Argumente vor gebracht, allen voran natürlich die Tatsache, man würde die jamaikanische Kultur nicht verstehen (die Sprache schon gar nicht) und dass es wichtigere Probleme in Jamaika gebe als die Homophobie. Soziale und wirtschaftliche Freiheitsrechte kann man aber nicht gegeneinander ausspielen. Für den durch Homophobie und Gewalt bedrohten Schwulen, der ja unter der "normalen" Gewalt und Armut in der jamaikanischen Gesellschaft nicht weniger zu leiden hat als der Hetero, mag man sich wenig wichtigeres vorstellen als diese Homophobie und Gewalt zu beenden, die sein Leben bedroht.
Zurecht fragen Sie, was die Absage von Konzerten in Europa den Homosexuellen auf Jamaika bringt. Damit sprechen Sie einen entscheidenden Punkt an. Natürlich könnte man argumentieren (so wie derzeit das Rheingold), dass es keinen Grund gibt, ein Konzert abzusagen, wenn der Künstler verspricht, auf diesem Konzert keine homophoben Songs zu spielen. Damit macht man es sich aber viel zu einfach.
In Jamaika wird er diese Songs weiterhin spielen, und er wird nach dieser Argumentation auch keinen Grund haben, es zu lassen. Abgesehen davon zeigt die Erfahrung, dass solcherlei Versprechen nicht immer eingehalten werden. Menschenrechtspolitik funktioniert einfach anders als z.B. der Klimaschutz. Da kann man vielleicht auf der einen Seite der Welt CO2 ausstoßen und dies an anderen Stelle durch Aufforstung mitigieren. Bei Menschenrechten funktioniert das nicht, sie sind allgemein und universell gültig und deshalb verbieten sich solche Abwägungen schon von vorn herein.
Es geht ja nicht darum, dass sich die tiefgreifende Homophobie in der jamaikanischen Gesellschaft von heute auf morgen ändern könnte. Aber wieso sollte bitteschön mit dieser Homophobie in Europa auch noch Geld verdient werden?
Im übrigen gilt: Der Aufruf zu Gewalt gegen Schwule ist nun mal in Deutschland strafbar und das ist auch gut so. Die Absage eines solchen Konzertes ist das Mindeste an Solidarität mit den Homosexuellen auf Jamaika. Auch das Argument, nur wenige würden überhaupt verstehen, was dort gesungen wird, kann nicht gelten. Sollte die im feinsten Oberbayerisch hetzende Nazi-Band nun etwa in Hamburg auftreten dürfen, nur weil sie dort keiner versteht? Ist Hetze gegen Minderheiten denn erlaubt wenn Sie, sagen wir Mal, in Latein vorgetragen wird, oder in Esperanto? Niemand will den Reggae-Fans ihre Lebensfreude nehmen. Im Fall von homophoben Songs kann diese Lebensfreude in Jamaika aber tödlich enden."
(Volker Beck HP)